275 Jahre J.D. Neuhaus
Das Jahr 2020 ist für die J.D. Neuhaus GmbH Co. KG in Witten-Heven ein besonderes. Gefeiert wird das 275-jährige Bestehen. Ein kleiner Einblick in die Historie spiegelt den Unternehmergeist von mittlerweile sieben Generationen des noch immer familiengeführten Hebezeugherstellers aus dem Ruhrgebiet wider und legt Zeugnis ab von einem auf den Anwendernutzen orientierten Innovationsgeschehen.
So bringt Wilfried Neuhaus-Galladé, geschäftsführender Gesellschafter der J.D. Neuhaus GmbH Co. KG, die bis dato 275-jährige Geschichte seines Unternehmens auf den Punkt. Den wohl ersten Beleg für diese Aussage lieferte Johann Diederich Conrad Neuhaus im Jahre 1745 mit der Entwicklung und Herstellung einer Holzschaftwinde. Seinerzeit durchaus ein Geniestreich. Die Idee dazu kam dem Schmiedemeister bei der Beobachtung folgender Begebenheit: Fuhrleute mussten ihre schweren Pferdekutschen mit Muskelkraft anheben, um gebrochene Achsen oder Speichen zu wechseln.
Abhilfe brachte die zuvor erwähnte Holzschaftwinde, die das Anheben der Fuhrwerke enorm erleichterte. Vom Ergebnis seines Schaffens und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Fortkommen überzeugt, ließ sich Johann Diederich Conrad Neuhaus als „Fabrikant“ in die „Meister Rolle der Sprockhövelschen Fabricke“ eintragen. Der Grundstein des heutigen Unternehmens J.D. Neuhaus war somit gelegt. In gewisser Art und Weise gilt die Denkweise aus der Anfangszeit der Firma bis in die Gegenwart. Doch der Reihe nach.
Auszug aus der „Meister Rolle der Sprockhövelschen Fabricke“ mit Hervorhebung des Eintrags von Johann Diederich Conrad Neuhaus
Im Laufe der Zeit fanden technisch immer weiter verbesserte Winden immer neue Anwendungsgebiete, z. B., um Eisenbahnwaggons auf Schienen zu heben und machten Arbeitsabläufe in vielen Anwendungsbereichen, wie in Kohlegruben, zunehmend effizienter. Zurückzuführen ist dieser Erfolg auf die Weitsicht von Louis Neuhaus und dessen Ehefrau Emma. Bereits in den 1880er-Jahren waren die Winden aus der Fertigung von J.D. Neuhaus in der Lage, Lasten bis zu 7.500 kg zu bewegen.
In den herausfordernden Jahren zwischen den beiden Weltkriegen etablierte sich der Betrieb als feste Größe im Segment der Hebetechnik. Einen beachtlichen Anteil daran hatte Emma Neuhaus, die nach dem Tod im Jahre 1905 von Louis Neuhaus die alleinige Verantwortung für Familie, Haus und Betrieb übernahm. Ohne ihre Zuverlässigkeit hätte die Jahrhunderte alte Tradition leicht ein Ende finden können. 1922 legte sie, im Einverständnis mit ihrem zweiten Mann und ihren noch lebenden Kindern, die Geschicke der Firma in die Hände ihres jüngsten Sohnes, Max Neuhaus. Neben dem gelebten Erfindergeist taten die zunehmend besser werdenden Werkstoffeigenschaften der verfügbaren Materialien ihr übriges zum Wohlergehen des Betriebs. Über alles betrachtet ermöglichte dies eine kompaktere Bauweise der Winden sowie höhere Leistungen und eine lange Lebensdauer.
Picture right: Eindruck von der Arbeit in der Neuhaus´schen Windeschmiede anno 1745
Ein Meilenstein in der Firmenhistorie war die Markteinführung des Druckluftzugs im Jahre 1952
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zum Wiederaufbau der deutschen Industrie große Mengen an Stahl und Kohle benötigt. Infolgedessen stieg der Bedarf an Hebezeugen für unterschiedliche Einsätze – vor allem im heimischen Bergbau. Davon profitierte auch J.D. Neuhaus. Der damalige Geschäftsführer, Max Neuhaus, erkannte die damit verbundenen Chancen. Die Auftragsbücher füllten sich zusehends. Um die Erzeugnisse gemäß den eigenen Qualitätsansprüchen herstellen zu können und in akzeptablen Zeiten auszuliefern, fällte der Firmeninhaber 1951 den Entschluss, in eine zweite Werkshalle, mit modernen Maschinen und gut durchdachten Fertigungsabläufen zu investieren.
Den nächsten Meilenstein setzte die 6. Generation mit J. Diederich Neuhaus bereits im Jahr 1952. Damals kam der Sohn von Max Neuhaus auf die Idee, manuelle Hebezeuge durch einen mit Druckluft betriebenen Lamellenmotor zu ersetzen. Mit dieser technischen Innovation waren die Bergleute in der Lage ihre Arbeit unter Tage körperlich weniger anstrengend, sicherer und effizienter zu erledigen.
Schon damals war J. Diederich Neuhaus überzeugt, dass sich das Druckluft-Hebezeug in vielzähligen Anwendungen, in denen Explosionsgefahr besteht durchsetzen wird. Und er sollte recht behalten. Heute kommen Druckluft-Hebezeuge aus Witten-Heven in Ex-Schutzbereichen vielzähliger Branchen und unter rauen Bedingungen zum Einsatz und haben z. B. in der On- und Offshore-Industrie ihren festen Platz.
Und so war und ist es bis heute der Erfindergeist und das Gespür für die Erfordernisse des Markts, die bei J.D. Neuhaus im Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens und Handelns stehen. Das umfangreiche Produktportfolio explosionsgeschützter Laufkrane, Hängekrane sowie Schwenk- und Drehkrane, legt davon Zeugnis ab. Aber es sind nicht nur innovative Hebezeuge und Kranlösungen, die im selbstgeschriebenen Pflichtenheft des Unternehmens stehen.
Ehrgeizige und in die Zukunft gerichtete Ziele hat sich Wilfried Neuhaus-Galladé gesteckt, als er 1995 in siebter Generation, die Leitung des Hebezeugherstellers übernahm. Dabei war der Start zunächst steinig. Der Bergbau, einer der wichtigsten Absatzmärkte jener Zeit, hatte in Deutschland nicht mehr den Stellenwert wie in den zurückliegenden Jahrzehnten; viele Zechen wurden geschlossen, eine Industrie stand quasi vor dem Aus. Mit den entsprechenden Folgen für das Geschäft von J.D. Neuhaus. Eine große Herausforderung für den neuen Geschäftsführer und mithin Chance zugleich.
Mit ausgeprägtem Managementwissen und einem engagierten Team gelang es, neue Märkte zu gewinnen und neue Anwenderbranchen im In- und Ausland zu erschließen. Der Aufbau einer weltweiten Vertriebsorganisation mit Tochtergesellschaften in den USA, Frankreich, im Vereinigten Königreich und in Singapur steigerte den Exportanteil im Laufe der Jahre auf heute mehr als 80 Prozent. In den Kundenbüchern stehen Unternehmen aus 70 Branchen in 90 Ländern der Erde. Bis zu 8 000 Hebezeuge pro Jahr verlassen die Werkshallen in Witten-Heven. Bedeutenden Anteil an diesem Erfolg hatten sicherlich innovative Produktentwicklungen. Dazu gehörten u. a. die Ex-geschützten Drucklufthebezeuge der Profi-Baureihe, die das Tragfähigkeitssegment von 250 kg bis 100 Tonnen für Einsätze unter härtesten industriellen Bedingungen abdecken.
Wilfried Neuhaus-Galladé
Aber es sind nicht allein die globale Ausrichtung, die Entwicklung und Fertigung innovativer Hebezeug-Baureihen, die den Erfolgskurs des Unternehmens unter der Führung von Wilfried Neuhaus-Galladé bis heute bestimmen. Ein wichtiges Anliegen war und ist für ihn der Kontinuierliche Verbesserungsprozess in Fertigung und Organisation. So wurde in den ersten Jahren unter seiner Führung damit begonnen, die Fertigung zu modernisieren. Die erwartete Effizienzsteigerung ließ nicht lange auf sich warten und war in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Schritt in die neue Zeit und hat – neben der Kernkompetenz zur Entwicklung innovativer Drucklufthebezeuge – maßgeblich dazu beigetragen, dass J.D. Neuhaus in den vergangenen drei Jahrzehnten die Weltmarktführerschaft im Bereich der pneumatischen und hydraulischen Hebezeuge erreicht hat. Heute ist der Maschinenpark mit modernen Anlagen sicherlich ein hoher Benchmark in der Branche. Die zuvor genannten Erfolge wären jedoch ohne die engagierten Mitarbeiter in allen Bereichen des Unternehmens nicht möglich gewesen. Dass es für den Hersteller keinen Stillstand gibt, beweist die Entwicklung der neuen Serie „mini“. Die kompakten Druckluft-Hebezeuge mit integriertem NFCTag und Service-App sind branchenweit einzigartig. Im Vergleich zum Vorgängermodell ließ sich der Wirkungsgrad optimieren. Der Betreiber profitiert von spürbar reduzierten Gesamtbetriebskosten. Mit der Entwicklung der Serie konnte das Unternehmen vor allem in den Bereichen Automotive, Food, Pharma und der chemischen Industrie zusätzliche Marktanteile gewinnen.
Aber ausruhen auf den Lorbeeren des Erfolgs passt nicht so recht zur Philosophie eines traditionsreichen und zukunftsorientierten Unternehmens. Und so steht bereits die nächste große Herausforderung an: Die Digitalisierung. Auch diesbezüglich ist man in Witten-Heven auf einem guten Weg, die Chancen der Digitalisierung für die Hebezeugbetreiber zu erschließen.
Winfried Bauer, Chefredakteur f+h
Fotos: J.D. Neuhaus